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Flagge Türkeit

Vergül

Türkei

 

Mein Name ist Vergül und ich bin in der Türkei geboren und aufgewachsen. 

In den 60er Jahren hatten Mädchen in der Türkei kaum Rechte und so musste ich nach 5 Jahren die Schule verlassen. Ich habe dann für zwei Jahre bei einer Schneiderin gearbeitet,  um nähen zu lernen. 

 

Mädchen ohne Rechte

Mein Leben in der Türkei war nicht leicht. Meine Eltern waren beide in zweiter Ehe verheiratet, aber weder sie noch meine Geschwister interessierten sich wirklich für mich. Ich war sehr einsam. Außerdem sind wir kurdische Aleviten und hatten mit vielen Einschränkungen durch das politische System zu kämpfen. Obwohl es verboten war, sprachen wir zu Hause kurdisch und ich hörte kurdische Musik. Ich protestierte gegen diese Ungerechtigkeiten, sowohl zu Hause, als auch auf der Straße. Meine Familie fürchtete um meine Sicherheit und versuchte immer wieder, mich zum Schweigen zu bringen, aber ich wollte Freiheit. 

Vergül
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Große Hoffnungen

Mit 19 Jahren lernte ich über eine Cousine meinen Mann kennen, wir heirateten und ich zog zu seinen Eltern. Er lebte damals schon in Deutschland und ich musste noch ein halbes Jahr auf meine Reisepapiere warten. Als ich mich endlich auf den Weg nach Deutschland machen konnte, wurde ich bei der Einreise in München festgenommen, weil meine Dokumente nicht vollständig waren. Ich wurde in die Türkei zurückgeschickt und musste weitere zwei Monate warten. Im Herbst 1979 kam ich dann endlich zu meinem Mann nach Frankfurt. Ich war voller Hoffnung auf ein neues und glückliches Leben. Leider musste ich bald feststellen, dass mein Mann kein guter Mensch war. Er verspielte unser Geld und zu Hause gab es viel Streit. Mit der Geburt unseres ersten Sohnes keimte meine Hoffnung wieder auf, dass er mich endlich akzeptieren und respektieren würde, aber die Situation blieb schwierig. Ich hätte ihn gerne verlassen, aber meine Aufenthaltsgenehmigung hing von ihm ab und eine Trennung hätte meine Rückkehr in die Türkei bedeutet. Ein Jahr später kamen meine Zwillinge zur Welt. 

Ausweg

Als die Situation zu Hause unerträglich wurde, floh ich mit Hilfe einer Nachbarin und Freunden zusammen mit meinen Kindern in ein Frauenhaus. Dort erlebte ich zum ersten Mal so etwas wie Freiheit und Selbstbestimmung. Ich hatte endlich eigenes Geld zur Verfügung und konnte meine Kinder angemessen versorgen, ich wurde nicht mehr geschlagen und konnte einen Deutschkurs besuchen. 

Nur die Sehnsucht meiner Kinder nach ihrem Vater und sein Druck, dass wir zurückkommen sollten, belasteten mich und ich glaubte seinen Beteuerungen, dass von nun an alles besser werden würde. Ich kehrte zu ihm zurück, doch nichts wurde besser und wir stritten weiter. Als er mich eines Nachts rauswarf, fand mich die Polizei und brachte mich wieder ins Frauenhaus. Die Kinder kamen in die Obhut des Jugendamtes, weil er sich nicht um sie kümmerte. Mit der Hilfe eines Anwalts kämpfte ich um die Kinder und sie durften zu mir ziehen.

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Ein Hoffnungsschimmer

Ein halbes Jahr lebten wir im Frauenhaus bis wir in Frankfurt eine eigene Wohnung fanden und endlich frei leben konnten. Meine Mutter zog zu uns, so dass ich arbeiten gehen konnte und wir nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen waren. Ich arbeitete bei verschiedenen Arbeitgebern, hatte aber leider ich noch immer keine eigene Aufenthaltserlaubnis, sondern war weiterhin von meinem Mann abhängig. Deshalb zog er nach zwei Jahren wieder bei uns ein, aber die Situation blieb schwierig. 

Als ich mit Hilfe meines Chefs und meines Anwalts endlich eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekam, warf ich meinen Mann endgültig aus der Wohnung. Wir ließen uns scheiden und ich bekam das alleinige Sorgerecht für die Kinder. 

Endlich frei

Meine Mutter war hier nicht glücklich und kehrte in die Türkei zurück. So war ich allein mit den drei Kindern und musste unseren Lebensunterhalt verdienen. Wir bekamen damals viel Hilfe vom Jugendamt und Sozialamt. Mit Nachhilfe und einer Familienhelferin schafften meine Kinder alle einen Schulabschluss und eine Ausbildung bzw. ein Studium. 

Als meine Kinder jugendlich waren, bekam ich gesundheitliche und psychische Probleme und musste längere Zeit in der Psychiatrie und in der Reha behandelt werden. Nach 1,5 Jahren Krankheit ging ich in Rente. 

2008 zog mein Sohn nach Maintal, 2011 fand ich eine Wohnung in der Nähe und zog ebenfalls nach Bischofsheim. Auch meine Tochter wohnte eine Zeit lang in Maintal und ich habe sie beide unterstützt. Vor allem die Ausbildung meiner Tochter war mir wichtig, ihr sollte mein Schicksal erspart bleiben. Sie sollte auf eigenen Füßen stehen können und nicht von einem Mann abhängig sein. Heute leben meine Kinder wieder in Frankfurt und ich bin wieder allein. Aber sie besuchen mich regelmäßig und ich verbringe viel Zeit mit meinen vier Enkelkindern. Sie sind mein großes Glück. 

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Kampf um Freiheit und Rechte

Ich musste in meinem Leben viel kämpfen, für Freiheit und Rechte für mich und meine Kinder. Ich habe mich immer viel um andere gekümmert und war für sie da. Heute habe ich viele Freundinnen und Bekannte und genieße es, mit der Familie zusammen zu sein.  

 

Heimat

Deutschland ist zu meiner Heimat geworden. Ich lebe hier seit fast 45 Jahren und gehöre hierher. Wenn ich in der Türkei bin, vermisse ich Deutschland und freue mich, nach Hause zu kommen. 

In Maintal schätze ich vor allem das Stadtteilzentrum in Bischofsheim. Dort treffe ich viele Gleichgesinnte und wir reden über viele Dinge, die mich bewegen. 

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