Halida
Bosnien
Mein Name ist Halida und ich bin in der Stadt Bihać in Bosnien geboren. Ich hatte zusammen mit meinem Mann eine Baufirma in Velika Kladuša nahe der ungarischen Grenze. Wir hatten dort ein gutes Leben und meine drei Kinder wuchsen glücklich auf. Wir lebten zusammen mit meinen Schwiegereltern in einem großen Haus.
Krieg in meinem Heimatland
Als 1992 der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ausbrach wurde mein Mann als Soldat eingezogen und fiel kurze Zeit später im Krieg. Dann kam der Krieg auch nach Bihać und wir wurden vertrieben. Wir kamen bei Freunden und Verwandten unter und kehrten so schnell wie möglich in unser zerstörtes und geplündertes Haus zurück, als die Stadt zurückerobert wurde. Kurz darauf musste ich mit meinen Kindern erneut fliehen und wir erreichten nach einer abenteuerlichen Flucht ein Lager des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) in Kroatien. Meine Kinder waren damals 14 und 11 Jahre alt. Meine Schwiegereltern und der Rest der Familie blieben zurück.
Das Lager bestand eigentlich nur aus Planen über den Köpfen. Wir sammelten Stroh als Schlafunterlage und wurden vom UNHCR mit den nötigsten Lebensmitteln versorgt. Die hygienischen Bedingungen waren unerträglich und wir hatten keine Pässe. Ich hatte Verwandte in den USA und hätte einen Antrag auf Einreise stellen können. Aber ich wollte lieber in Europa bleiben, in der Nähe meiner Heimat und meiner Familie.
Hilfe bekamen wir dann von einer deutschen Hilfsorganisation, die uns über Zagreb nach Deutschland brachte.
Ankommen in Deutschland
Ich hatte damals eine Bekannte, die ein Restaurant in Maintal hatte und uns aufgenommen hat. Gerne hätte ich in meinem Beruf als Industriekauffrau gearbeitet, aber das ging nicht. Ich sprach zwar Russisch und Bosnisch, aber leider kein Wort Deutsch. So half ich im Restaurant der Bekannten gegen Essen und für ein Dach über dem Kopf aus. Geld verdiente ich damit nicht.
Als ich einige Monate später eine Stelle als Reinigungskraft bei der Stadt Maintal im Rathaus in Bischofsheim fand, konnten wir uns eine eigene Wohnung suchen und fanden mit Hilfe der Bekannten eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Bischofsheim. Dort sind meine Kinder aufgewachsen und ich lebe immer noch darin. Kurz darauf wechselte ich ins Maintalbad, wo ich heute noch arbeite.
Hier waren wir wirklich angekommen. Endlich lebten wir in Frieden, es flogen keine Granaten mehr um uns herum, der Krieg war weit weg und die Kinder gingen wieder zur Schule. Natürlich blieb die Sorge um die Verwandten, die im Krieg zurückgeblieben waren.
Ich wollte unbedingt Deutsch lernen, aber für einen Kurs fehlte mir das Geld und allein mit drei Kindern im Teenageralter auch die Zeit. So nutzte ich im Alltag jede Gelegenheit die Sprache zu lernen, bald auch mit Hilfe der Kinder.
Um uns alle ernähren zu können, arbeitete ich immer wieder nebenbei, denn ich wollte auf keinen Fall Sozialleistungen annehmen. Das hätte zur Folge gehabt, dass wir nach Kriegsende keine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland mehr bekommen hätten. Überhaupt mussten wir diese immer wieder verlängern und bangten jedes Mal darum, dass wir nicht ausreisen müssen. Manchmal bekamen wir nur eine Duldung für wenige Monate und immer war meine Arbeitsstelle auf diesen Zeitraum befristet.
Obwohl der Krieg in Bosnien offiziell beendet war, war die Lebenssituation dort für uns nicht sicher. Vor dem Krieg lebten wir alle, egal ob wir Bosnier, Serben, Kroaten, Muslime, Orthodoxe oder Christen waren, friedlich zusammen. Nach dem Krieg gab es so viel Hass gegeneinander und es wurden immer noch Menschen getötet, manchmal auch von Nachbarn und Bekannten.
Ein langer Kampf um ein Bleiberecht
Als wir die Aufforderung bekamen, Deutschland endgültig zu verlassen und auch ein großer Artikel in der Zeitung nicht half, suchte ich rechtlichen und psychologischen Beistand bei Fatra e.V., einer Beratungsstelle in Frankfurt. Die Kinder hatten Alpträume und auch mir ging es in dieser Zeit nicht gut. Damit erreichten wir, dass ich mit meinen beiden Töchtern bleiben durfte, mein Sohn allerdings musste gehen. Er leistete in Bosnien seinen Militärdienst und machte anschließend eine Ausbildung. Heute lebt er mit seiner Familie wieder in Deutschland, genau wie meine Töchter. Alle haben einen Beruf erlernt und stehen auf eigenen Füßen. Meine große Freude sind meine neun Enkelkinder im Alter von 2 bis 19 Jahren.
Ich habe sehr harte Zeiten erlebt. Manchmal reichte das Geld noch nicht einmal für den Schulausflug meiner Kinder und teure Kleidung gab es bei uns auch nicht. Aber ich bin zufrieden und führe ein gutes und sicheres Leben. Mir war es wichtig, alles aus eigener Kraft zu schaffen und kein Geld vom Staat anzunehmen. Das ist mir gelungen. Ich bin froh über die Unterstützung, die ich von Freunden, Bekannten, meinem Chef und von Hilfsorganisationen bekommen habe. Deutschland bietet jedem eine Chance, man muss sie nur nutzen.
Große Dankbarkeit
Besonders dankbar bin ich meinem ehemaligen Chef, der mich immer unterstützt hat, der mir meinen Arbeitsplatz erhalten hat, als ich mangels aktueller Aufenthaltsgenehmigung nicht arbeiten durfte und der mich gefördert und mir etwas zugetraut hat. Er war es auch, der mir eine Stelle an der Kasse des Maintalbades angeboten hat und mich ermutigt hat, diese neue Aufgabe anzunehmen, obwohl ich selbst skeptisch war.
Heimweh hatte ich eigentlich nie. Am Anfang war ich zu sehr damit beschäftigt, uns hier ein neues Leben aufzubauen, später hatte ich mich hier bereits eingelebt. Inzwischen bin ich hier zuhause und habe meine Familie hier. Vor dem Krieg ging es mir gut in Bosnien, aber nach dem Tod meines Mannes wollte ich nicht dorthin zurück.
Ich kann nicht verstehen, dass es Menschen gibt, die nach Deutschland kommen und hier alles kritisieren und den Staat ausnutzen. Es gibt genug Arbeit für alle und man kann hier ein gutes Leben führen.