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Flagge Katalonien

Nieves

Barcelona

 

Mein Name ist Nieves und ich komme aus Barcelona in Spanien. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie aufgeregt wir alle waren, als unsere Nachbarn im Jahr 1957 zum ersten Mal Besuch aus Deutschland bekamen. Wir, das waren meine Eltern, meine Großeltern, mein jüngerer Bruder und ich. Ich war 6 Jahre alt. Wir wohnten damals im 6. Stock und der Aufzug funktionierte mal wieder nicht. So mussten sich die Gäste sechs Stockwerke nach oben kämpfen und kamen mit hochroten Köpfen oben an. 

In den nächsten Tagen kam es zu den ersten Kontakten mit dem Ehepaar und in meinem Vater reifte der Plan, nach Deutschland zu gehen um dort zu arbeiten. Zu dieser Zeit herrschte in Spanien das Regime des Diktators Franco, die Wirtschaft lag am Boden und das fremde, aber aufstrebende Deutschland lockte. Hinzu kam wohl, dass mein Vater mit unserer Wohnsituation in einer Wohnung mit den Schwiegereltern nicht glücklich war. 

In den nächsten Monaten lernte mein Vater eifrig Deutsch bei besagtem Nachbarn, der in den 30er Jahren aus Deutschland nach Barcelona gekommen war um als Portier in der Hotelkette Ritz zu arbeiten. 

Nieves
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Eine lange und aufregende Reise nach Deutschland

Mein Vater arbeitete in Barcelona als selbstständiger Schreiner, spielte in seiner Freizeit gerne Schach und war auch sonst sehr belesen. 

Im April 1958 zog er nach Offenbach und begann wenige Tage später in einer Schreinerei zu arbeiten, die damals die Holzkonstruktionen für die beliebten Musikboxen herstellte. 

Als meine Mutter ein halbes Jahr später ebenfalls nach Deutschland ging, blieben mein Bruder und ich bei den Großeltern zurück. Wir freuten uns sehr, als sie uns zu Weihnachten besuchten und ich erinnere mich an eine riesige, gebrauchte Käthe-Kruse-Puppe, die sie mir damals mitbrachten. 

Im darauffolgenden Mai war die Sehnsucht meiner Eltern nach ihren Kindern so groß, dass sie uns nachholten. Im Bus wurde meinem Bruder und mir abwechselnd schlecht und meine Mutter musste mehrmals den Bus reinigen. Bei der Übernachtung in Lyon musste sie sogar sehr dafür kämpfen, dass wir überhaupt weiterfahren durften. 

 
Neue Freundinnen und Schmalzbrot

In Offenbach-Bieber wohnten wir zunächst sehr beengt. Wir hatten zwei Zimmer, gewaschen haben wir uns in der Küche und die Toilette war im Vorderhaus. Ich wurde recht schnell in die Grundschule eingeschult und war am Anfang eine Sensation, denn andere „Ausländer“ gab es nicht. Nach anfänglichen Sprachschwierigkeiten fand ich bald zwei enge Freundinnen, mit denen mein Bruder und ich die Gegend erkundeten und auf deren Hof wir spielten. Dort bekamen wir zum ersten Mal Schmalzbrot zu essen. 

Ein Jahr später bekamen wir eine Wohnung auf dem Gelände der Schreinerei in Offenbach, in der mein Vater arbeitete. Auch diese Wohnung war recht beengt mit einem Schlafzimmer und einer Wohnküche. Das Bad war auch hier über den Hof in einem anderen Gebäude. Dieser Umzug brachte für mich einen Schulwechsel, aber die Freundschaft zu meinen beiden Freundinnen blieb bestehen und neue Freundinnen waren schnell gefunden. 

Meine Mutter arbeitete zunächst als Schneiderin in einer Konfektionsfirma und entwarf Schnittmuster. Vor allem als meine beiden jüngsten Brüder geboren wurden, ging sie zu Heimarbeit über. 

 

Wir sprachen zu Hause Katalanisch, Spanisch verstand ich auch, aber es war mir immer etwas fremd und nie meine Muttersprache. Als wir älter wurden, sprachen wir Kinder untereinander immer mehr Deutsch und mit der Zeit auch mit meinen Eltern. Meinem Vater war es besonders wichtig, dass wir schnell Deutsch lernten und gut in der Schule waren. Er selbst hatte mehr Kontakte und Freundschaften zu Deutschen, als zu Spaniern oder Katalanen, von denen in den folgenden Jahren immer mehr nach Deutschland und Offenbach zogen. Im Gegensatz zu seiner Schwester und ihrem Mann, die ebenfalls nach Offenbach kamen, aber bald wieder zurückkehrten, wollte mein Vater nie zurück. 

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Ins Land von Sissi, Romy Schneider und Schnee

Ich selbst fand es aufregend nach Deutschland zu kommen. Ich kannte alle Sissi-Filme und schwärmte für Romy Schneider. In das Land ihrer Herkunft zu ziehen, fand ich toll. Außerdem reizte mich die Aussicht endlich einmal Schnee zu sehen und zu spüren. Das kannte ich bisher nur aus Kinderbüchern. 

Da ich eines der ersten ausländischen Kinder in der Schule war, musste ich bald für die anderen übersetzen. Das gefiel mir gar nicht und auch nicht, dass ich immer meinen Namen an die Tafel schreiben musste, weil ihn niemand verstand. Obwohl ich eigentlich nicht schlecht war, beschlossen mein Vater und meine Lehrerin gemeinsam, dass ich die sechste Klasse wiederholen sollte, weil Deutsch mein Schwachpunkt war. Auch wenn ich darüber nicht glücklich war, war es die richtige Entscheidung und so schaffte ich meinen Realschulabschluss und anschließend eine Ausbildung zur Bankkauffrau. 

 
Schwierige Einbürgerung

Schwierigkeiten mit dem Aufenthalt hatten wir eigentlich nie, die hatten wir eher mit der Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft. Dafür musste man vor dem EU-Beitritt Spaniens aus der spanischen Staatsbürgerschaft entlassen werden, was meinem Bruder nicht gewährt wurde, bevor er nicht seinen Militärdienst in Spanien abgeleistet habe. Nach einigem Hin- und Her bekam er eine Ausnahmegenehmigung und ist somit der Einzige von uns, der die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt. Meine Mutter hingegen, die zwar ganz gut Deutsch sprach aber nie Deutsch schreiben gelernt hatte, fiel mehrmals durch den erforderlichen Sprachtest. Ich glaube, der Sachbearbeiter hat dann irgendwann einfach aufgegeben und ihr die deutsche Staatsbürgerschaft zuerkannt. Da ich zum Zeitpunkt der Antragstellung schon volljährig war, musste ich, ein Jahr später, als meine Familie, fast den gleichen Betrag, nämlich 1.494,00 DM, bezahlen, wie der Rest der Familie zusammen. 

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Heimat

Wo ich zuhause bin? Hier in Deutschland und meine Muttersprache ist Deutsch, aber ich liebe Barcelona. Wenn ich in dieser Stadt bin empfinde ich es als ein Stück Heimat. Ich liebe es, wenn wir mit der Großfamilie zusammenkommen, das ist ein riesiges Sprachengewirr. Spanisch, Deutsch, Katalanisch, Englisch – alles ist dabei und wir verstehen uns prächtig.

 
Leben, Arbeiten und Engagement in Maintal

Seit 1977 lebe ich nun mit meinem Mann in Maintal- Dörnigheim. Ich arbeitete nach meiner Lehre bei der Deutschen Bank 10 Jahre lang bei der Bank of America in Frankfurt und die Anbindung mit der Bahn war von Vorteil. Schon damals war die Rede vom Ausbau der Nordmainischen S-Bahn. Bald konnten wir die angemietete Wohnung kaufen und ab 1982 blieb ich zuhause und zog unsere beiden Kinder groß.

Später leitete ich bis zu meiner Rente 2015 die Geschäftsstelle der Jugend-,Musik- und Kunstschule e.V. Dadurch hatte ich natürlich engen Kontakt zu vielen Maintaler Familien, Vereinen und auch zur Stadt Maintal und engagiere mich hier in vielfältiger Weise. 

Seit 2000 leite ich die Gruppe der Frauenselbsthilfe Krebs e.V. in Maintal. Ich erkrankte 1993 an Brustkrebs und die damalige Gruppenleitung und auch die Frauen der Gruppe halfen mir sehr über diese schwierige Zeit hinweg. Nachdem die damalige Leiterin wieder erkrankte, übernahm ich die Gruppe und versuche nun den neuerkrankten Frauen zu helfen und sie aufzufangen.

Seit der Zeit bin ich auch im Frauenbeirat der Stadt aktiv und bekam 2020 für mein Ehrenamt ein Baum auf dem Frauenhain. 

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IntegreatKlima-BündnisKultur-RegionLink zu Prävention und Sicherheit; Bild zeigt das Logo vom Projekt KompassFamilienfreundlicher Arbeitgeber Kinderfreundliche Kommune  FairtradeExterner Link zur Charta der Vielfalt; Maintal hat sie unterzeichnet; Bild zeigt das Logo, welches aus vielen bunten Punkten und Kreisen bestehtMaintal hat die Charta der Klima-Kommunen Hessen (Logo) unterzeichnet.Das Maintaler Gründerzentrum ist durch den Main-Kinzig-Kreis zertifiziert. Das Bild zeigt das Logo des Zertifikats.